Monday 24 January, 2011

Aktualitäten

Hallo liebe Familie, Freunde, und lustige Leser aus Russland (laut meiner Statistiken müssen es einige sein.... hmmm...)!
Ich dachte ich bringe euch mal wieder alle auf einen ähnlichen Wissensstand, denn verschiedene Leute haben durch verschiedene Medien verschieden viele Infos erhalten. Und es sollte ja jeder gleich viel wissen dürfen :)
(Klick macht wie immer alle Bilder groß)

Übrigens ist jetzt auch Sarahs Blog in der Seitenleiste verlinkt. Guckt mal rein!



Also wo war ich stehen geblieben? Ach ja, vor unsere Reise nach Kutch! Davon werde ich zu einem späteren Zeitpunkt noch ausführlich berichten (haha, kann sich ja nur um Jahre handeln). Vielleicht zu unsere Registration, von der wir ja erwartet hatten, dass sie der Horrortrip des Jahres werden würde. Tatsächlich war es total entspannt und eine der coolen "Inder sind so UNFASSBAR freundlich und hilfsbereit!" - Erfahrungen: Als wir mal wieder den Kampf Ausländer VS Rikschafahrer ausfechten hält ein netter Inder mit seinem Roller neben uns und fragt, ob er helfen könne. Wir erklären ihm, dass wir zum Police Office im District 27 wollen zur Registrierung, und er vermittelt uns tatsächlich einen Rikschafahrer. Wir fahren los und bedanken uns bei dem Herrn. Wir haben allein schon auf der Fahrt eine Menge Spaß, weil es unsere erste 5-Leute-plus-Fahrer-Erfahrung ist (Anna, Sarah, Robert, Daniel und ich). Später werden wir das noch auf 6 Leute steigern. Jedenfalls kommen wir beim Police Office an und dürfen die Prozedur beginnen, nachdem wir dem ungläubigen (oder unwilligen?) Officer eingetrichtert haben, dass wir wirklich tatsächlich unfassbarerweise alle Unterlagen und sogar FARBKOPIEN von unseren Pässen und Visa haben (wie Farbkopien, nein so etwas braucht er gar nicht, schwarzweiß tuts auch...). Wir sitzen also alle draußen und füllen vier identische Formulare aus und rätseln, was wohl was bedeuten mag, da kommt ein Inder und hilft uns. Wenn er eine Frage nicht beantworten kann, fragt er einen der Officers und übersetzt dann für uns. Er bleibt die ganze Zeit über bei uns und wir kommen ins Gespräch und unterhalten uns nett. Nachdem die Prozedur beendet ist und wir angewiesen werden, in der nächsten Woche wiederzukommen (uns graut schon davor und wir vermuten perfide Pläne dahinter, denn so reibungslos kann das ja wohl nicht laufen!) bietet er uns an, uns bei der Suche nach einer Rikscha noch zu helfen. Wir fragen, ob er denn hier im Office arbeiten würde, weil sich im Gespräch herausgestellt hat, dass er in Delhi studiert hat. Nein, er wäre vom NID! Und da fällt der Groschen! ER war derjenige, der uns bei der Hinfahrt die Rikscha organisiert hat! Nachdem er wusste, wo wir hin wollten, hat er sich gedacht wir könnten sicherlich Unterstützung gebrauchen und ist uns hinterher gefahren, um uns im Office zu helfen! Aaah! Wie krass! Da werden ganz neue Standarts für Hilfsbereitschaft gesetzt! Das sind die Momente in denen ich es manchmal gar nicht fassen kann und in die mich für die Unannehmlichkeiten um ein Vielfaches entschädigen.
Übrigens verläuft auch die zweite Runde der Registrierung völlig reibungslos – wenn nicht sogar wie im Bilderbuch. Sarah, Robert und ich hatten ja eigentlich erwartet, eine empfindlich hohe Strafe zahlen zu müssen, weil man sich eigentlich nach 2 Wochen registrieren muss, wir aber aufgrund unserer Reise erst nach 4 Wochen zum Office fahren konnten. Wir werden nicht einmal darauf angesprochen. Das Ende vom Lied ist, dass ich dem Chief Officer Fotos von unserem Kutchaufenthalt auf meinem Laptop zeige und er daraufhin unserer ganzen Gruppe Chai bringen lässt. Lässig!




 Die Uni ist ziemlich gut, Robert, Daniel und ich haben als unseren ersten Kurs Character Design gewählt. Hier läuft alles im Blockkurssystem, d.h. man arbeitet 2-5 Wochen lang an ein und demselben Projekt, danach am nächsten und so weiter. Dadurch ist alles konzentrierter und man steigt wirklich intensiv in die Materie ein, der Nachteil ist, dass man quasi permanent leicht gestresst ist.










In der Mitte der Woche werde ich dann krank, erst Schnupfen und Husten, Freitag geht meine Temperatur hoch, Sonntag gehe ich zum Arzt, und als mein Zustand sich nicht bessert bin ich Montag dann ins Krankenhaus um mich richtig untersuchen zu lassen. Das Ergebnis der gefühlten fünftausend Untersuchungen ist gleichermaßen irritierend wie erschreckend: Eine Nebenhöhlenentzündung und – Hepatitis A! Huch! Eigentlich dachte ich ich wäre dagegen geimpft... Nun ja, jetzt ist es zu spät, ich fahre ins Hostel, packe meinen Krempel zusammen und werde dann wieder zurück ins Krankenhaus verfrachtet. Mit der Ambulanz. Das war zwar mega unnötig, aber ein Krankenwagentransport kostet in Indien nichts (was Sinn macht, ich habe schon welche gesehen die erstmal angeschoben werden mussten, um anzuspringen, und ein Krankenwagen, der mit Blaulicht im Stau steht wie alle anderen Autos ist völlig normal – dafür sollte man nicht zahlen müssen!), das kann ich also irgendwo verstehen. Trotzdem war es der Beginn von einem der beschissensten Abende die ich je hatte. Denn im Hostel sind die Warden (eine Frau für die Mädels, ein Mann für die Boys, natürlich!) für die Studenten zuständig, sie sind Ansprechpartner bei Problemen und Krankheit und sorgen für Zucht und Ordnung. Seit einiger Zeit ist ein neuer Girl's Warden da und sie macht sich mit ihrer übereifrigen hyperkonservativen Art nur Feinde. Alle verschärften Regelungen die in letzter Zeit bekanntgegeben wurden sind wohl auf ihrem Mist gewachsen. Der Boy's Warden ist ganz nett, ein ruhiger, sympathischer Mann. Beide begleiten mich jetzt.
Ebendiese Dame meint nun ihre selbst für indische Verhältnisse völlig übertriebene gluckenhafte Art an mir ausleben zu müssen. Sie nimmt mich im Krankenhaus an die Hand(!!!) während wir durch die Gänge laufen, ich darf am gesamten Aufnahmeprozess nicht teilnehmen, was natürlich dazu führt, dass ständig jemand zu mir läuft und mich irgendetwas fragen muss, auf meine semi-energischen Versuche, den Krempel selbst zu regeln, kommt immer ein energisches „Sit, sit! Wait!“ zurück, und mit 40°C Fieber gebe ich dann lieber nach statt mich mit den Warden anzulegen. Als ich auf meinem Zimmer bin (groß, sauber, Einzelzimmer, schönes Bad – yay!) macht sie alle Schwestern verrückt und scheucht sie durch die Gegend. Als ich Essen bekomme steht sie neben mir und beaufsichtigt mich. Als ich nach ein paar Bissen aufgebe – durch Hepatitis hat man ein permanentes Völlegefühl bis hin zu Erbrechen – nervt sie mich so lange bis ich sie ordentlich anmotze. Ich erkläre ihr gefühlte dreihundert mal, dass ich es gewohnt bin, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, selbst wenn ich schwer krank bin, und dass ich meine Ruhe brauche. Das hält sie nicht davon ab, in meinem Zimmer zu schlafen (was in Indien wohl normal ist). Meinen Arzt spricht sie immer auf Hindi an, er weist sie jedoch immer darauf hin dass das reichlich unhöflich ist und in meiner Gegenwart, und besonders wenn es um mich geht, Englisch gesprochen werden sollte. Am Ende des Abends bin ich so erschöpft und stinkewütend, dass ich mich im Bad einschließe und erstmal die ganze Wut rausweine. Mann, sowas hab ich wirklich noch nicht erlebt. Am nächsten Tag schmeiße ich sie dann energisch raus. Ha! Danach muss ich mich zwar selbst darum kümmern, dass alles geregelt wird und meine Medikamente auch alle kommen, aber das ist sooo viel angenehmer als fünfmal gegen die selbe Wand zu rennen. Und ich habe Ruhe! Ein Einzelzimmer! Sarah leiht mir ein Buch und die Jungs bringen mir den Internetstick- Herrlich!
 
Das Bild ist im Cafe im Krankenhaus entstanden.
Foto von Robert.

Die Woche im Krankenhaus geht schnell vorbei, bis auf Mittwoch habe ich jeden Tag Besuch, und Samstag werde ich entlassen. Die Geschichte mit der Versicherung erzähle ich jetzt nicht, eine weitere nervige Sache, aber eher im Bereich „Alltägliche indische Grabenkämpfe“. Auch nicht so nice: Meine Venen kann man getrost in die Tonne treten, das habe ich schon bei meiner Blinddarm-OP gemerkt. Aus irgendeinem Grund haben sie sich aber entschlossen jegliche Kooperation komplett zu verweigern und meine Venenverweilkatheter täglich – manchmal auch zweimal täglich – rauszuschmeißen. Ich bekomme die übelsten Blutergüsse und Venenentzündungen, eine Vene in der Hand ist immer noch verstopft und schmerzhaft (5 Wochen danach). Und sie verstecken sich, so dass das Personal meist einen Anästhesisten rufen muss, weil der es als einziger schafft, die Vene beim ersten Versuch zu treffen.
Und zuletzt: Bei meiner Entlassung kotze ich dann noch vor die Krankenhausapotheke – mir wird urplötzlich speiübel und als von den Apothekern auf die Frage, ob sie mal eine Tüte hätten, mir wäre schlecht, mit „Wait wait“ antworten, ist es kurz darauf auch schon zu spät. Schade!

Hm das klingt jetzt als wäre es schrecklich gewesen. War es aber eigentlich gar nicht. Nicht sehr jedenfalls, nachdem ich den Warden losgeworden bin! Das Krankenhaus war schöner und sauberer (!) und der Service besser als das Urbankrankenhaus in Berlin, in dem mir der Blinddarm herausgenommen wurde. Mein Arzt wurde natüürlich in Amerika ausgebildet und hat sich sehr viel Mühe gegeben und mir viel mit dem Versicherungskampf geholfen. Das Essen wäre sicherlich sehr lecker gewesen wenn ich etwas hätte essen können. Es gab immer frische Früchte und Fruchtsäfte (Ananas-Guavensaft... yummy!) und die Möglichkeit, sich alles mögliche aufs Zimmer bringen zu lassen. Ich hatte keine ewig langen Wartezeiten vor Untersuhungen und das Personal, mit Ausnahme der Putztruppe, sprach durchgehend wenigstens so viel Englisch, dass man sich verständigen konnte. Nice!



Eine weitere Woche verbringe ich im Hostel im Bett, weil mich alles einfach nur müde macht. Ich nehme nach wie vor einen Berg Medikamente – gegen Gallensteine, gegen die Sinusitis, gegen Verstopfung, gegen körpereigene Chemikalien die mein Hirn schädigen können, weil die Leber sie nicht abbauen kann, gegen die Leberentzündung, Vitamin B und noch irgendetwas Abstruses. Während dessen ziehen Daniel und Robert in unsere neue Wohnung – jaaa, wir haben endlich eine! Wir können endlich dem Knast entfliehen (siehe Foto. Zu sehen ist unser Flur, am Ende des Gangs unsere Tür, rechts im Bild der vergitterte Zugang zum Treppenhaus des Boys' Hostels und links das Fenster von unserem Treppenhaus. Bescheuert!)
Während ich im Krankenhaus war haben die drei Jungs zusammen fleißig Wohnungen besichtigt, und dabei ist dieses unterhaltsame Video vom so called „crazy bungalow“ entstanden, in dem jetzt die drei Hannoveraner Austauschstudenten und ein Inder wohnen.





Unsere Wohnung ist 10 Minuten zu Fuß von der Uni entfernt, neu und ziemlich riesig. Wir haben vier Zimmer, drei Balkone, Küche, eine riesige Halle und drei Bäder. Wir wohnen ca. 10 Minuten Fußweg vom Campus entfernt, recht nah am Fluss. Rund um das Haus, zwischen Straße und Fluss, stehen kleine Hütten, richtige Slums kann man sie eigentlich nicht nennen, denn sie haben Backsteinwände und Wellblechdächer. Anfangs waren wir noch die Hauptattraktion, mittlerweile haben sich die Straßenkinder und -hunde weitestgehend an uns gewöhnt.





So viel erstmal bis dahin, Teil 2 der Aktualitäten kommt dann hinterher. Ich habe mir vorgenommen, mich wesentlich kürzer zu fassen. Wenigstens ein bisschen. Sonst wird das ja nie mehr was. Und ich will noch mehr Fotos posten. So langsam vermisse ich meine Nikon doch sehr, und ich muss mich ab und zu an Roberts Kamera vergreifen, aber dafür dass ich mit so einer kleinen popeligen Digicam fotografiere bin ich ganz zufrieden mit den Ergebnissen.




Lesen Sie beim nächsten mal: Wie wir die Wohnung mit Müll einrichten, wie Robert und ich durch Ahmedabad tingeln, wie man in einem dry state an Alkohol rankommt, kleine Nachbarschaftsgeschichten und vieles mehr!




1 comment:

  1. Hey Birte!
    Das klingt alles sehr aufreibend- ich weiß nicht, ob ich nicht weinend Mama verlangt hätte, wenn mich die Hepatitis erwischt hätte! Aber Gott sei Dank gehts dir ja wieder gut und du bist nun endgültig (hoffentlich gut) in der neuen Wohnung gelandet! Lese übrigens fleißig mit und freue mich, dass du mit Indien-Ängsten aufräumst :)
    Viele Grüße von zu Hause!

    ReplyDelete